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Auftrag

Der Auftrag der Abteilung besteht darin, strafgesetzlich angeordnete Freiheitseingriffe durchzusetzen, das kantonale Strafregister zu führen, eine angeordnete Bewährungshilfe zu leisten sowie den Sozialdienst im Kantonalgefängnis Frauenfeld sowie in den regionalen Untersuchungsgefängnissen sicherzustellen. Mittels einer individuellen Fallführung – dies unter Einhaltung der Qualitätsstandards durch das Modell des «Risikoorientierten Strafvollzuges» (ROS) – wird hierzu die vorliegende Delinquenz, das hieraus bereits zum Ausdruck gekommene Risikopotential sowie der individuelle persönliche und umweltbezogene Entwicklungsbedarf des jeweiligen Rechtssubjekts analysiert und unter Berücksichtigung des individuellen Freiheitsrechts des Rechtssubjekts und dem Schutzanspruch der Öffentlichkeit in einem individuellen Fallkonzept verarbeitet. Bei durchzusetzenden freiheitsentziehenden Sanktionen beginnt die Tätigkeit der Abteilung – vorbehaltlich des mit der jeweiligen Verfahrensleitung abzustimmenden vorzeitigen Straf- oder Massnahmenvollzuges – dabei ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Sanktionsanordnung bis hin zur endgültigen Entlassung. Zum besseren Verständnis werden diese drei Stufen der Rechtsdurchsetzung nunmehr kurz erklärt, sodass eine Verortung jederzeit möglich ist:  

Phase 1: Von der (rechtskräftigen) Sanktionsanordnung bis zur bedingten Entlassung

Wird den Strafverfolgungsbehörden ein strafrechtlich relevanter Rechtsbruch zur Kenntnis gebracht, dann beginnt das entsprechende Ermittlungsverfahren zur Sachverhaltsfeststellung. Die Rekonstruktion des Tatgeschehens verfolgt dabei die Zielsetzung, den Verantwortlichen für den mutmasslichen Rechtsbruch zu identifizieren. Besteht hierfür ein hinreichender Tatverdacht, dann kann es zur (vorläufigen) Festnahme resp. zwecks Verfahrenssicherung zur Anordnung von Untersuchungshaft kommen. Willigt der Verdächtigte resp. der Beschuldigte ein, dann kann ihm von der Verfahrensleitung anstelle von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft der vorzeitige Straf- oder der vorzeitige strafgesetzliche Massnahmenvollzug bewilligt werden. Das bedeutet, dass die rigiden Vollzugsbedingungen der Untersuchungs- und Sicherheitshaft zu Gunsten des ordentlichen Straf- resp. des ordentlichen strafgesetzlichen Massnahmenvollzuges aufgehoben werden. Aus Sicht der Abteilung sind in dieser Phase folgende Formen des Freiheitsentzuges zu unterscheiden:

  • Untersuchungshaft

    Bestehen besondere Haftgründe, welche die Verfahrenssicherung betreffen (Flucht-, Verdunkelungs- und/oder Wiederholungsgefahr) kann die Staatsanwaltschaft beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Untersuchungshaft beantragen. Die Vollzugsbedingungen tragen der Verfahrenssicherung Rechnung und unterscheiden sich somit vom ordentlichen Strafvollzug.

  • Sicherheitshaft

    Die Sicherheitshaft unterscheidet sich von der Untersuchungshaft lediglich durch den Beantragungszeitpunkt. Beantragt die Staatsanwaltschaft nach erfolgter Anklageerhebung verfahrenssichernde Massnahmen, dann wird nicht mehr von Untersuchungs-, sondern von Sicherheitshaft gesprochen. Die besonderen Vollzugsbedingungen bleiben somit bestehen.

  • Vorzeitiger Strafvollzug

    Bewilligt die Verfahrensleitung den vorzeitigen Strafvollzug, dann kommen sämtliche strafgesetzlichen Bestimmungen über die ordentliche Strafvollstreckung sowie die damit einhergehenden Vollzugsbedingungen zur Anwendung.

  • Vorzeitiger strafgesetzlicher Massnahmenvollzug

    Bewilligt die Verfahrensleitung den vorzeitigen strafgesetzlichen Massnahmenvollzug, dann beginnt die Berechnung der konkreten Massnahmendauer ab dem Bewilligungsdatum. Zudem entsteht dadurch die Verpflichtung, so rasch als möglich eine adäquate Unterbringung aufzutun, welche dem strafgesetzlichen Massnahmenvollzug entspricht und sich somit vom Strafvollzug unterscheidet.

Liegt ein strafgerichtliches Urteil vor, welches nach Ausschöpfung des gerichtlichen Instanzenzuges resp. bei Verzicht auf denselben in Rechtskraft erwachsen ist, beginnt die zweite Phase, welche von der rechtskräftigen Sanktionsanordnung bis zur vollständigen Begleichung einer allfälligen Busse/Geldstrafe oder im Falle eines institutionellen Freiheitsentzuges bis zur bedingten Entlassung des nunmehr eines strafrechtlich relevanten Rechtsbruchs überführten Rechtssubjekts reicht.

Phase 2: Vom Rechtsbruch bis zur (rechtskräftigen) Sanktionsanordnung

Liegt eine rechtskräftige Sanktionsanordnung vor, so obliegt der Abteilung einerseits die Durchsetzung der strafrechtlichen Entscheidung und andererseits die Begleitung des Rechtsbrechers auf dem Weg zurück in die Gemeinschaft. Dies beinhaltet folgende Aufgaben:

  • Umwandlung von Bussen oder Geldstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe;
  • Koordination, Kontrolle und ggf. Abbruch einer gemeinnützigen Arbeitsleistung, welche anstelle der Begleichung einer Busse und/oder Geldstrafe bewilligt worden ist;
  • Kontrolle gerichtlich angeordneter Weisungen im Falle von bedingten oder teilbedingten Freiheitsstrafen, im Zuge von ambulanten Massnahmen oder im Rahmen einer bedingten Entlassung aus dem Straf- resp. dem strafgesetzlichen Massnahmenvollzug;
  • Gewährleistung einer sozialarbeiterischen Betreuung und Begleitung des Klienten im Rahmen des in den kantonalen Vollzugseinrichtungen zur Verfügung gestellten Sozialdienstes einerseits und der Bewährungshilfe andererseits, welche bereits vor der eigentlichen bedingten Entlassung gewisse Begleit- und Betreuungsaufgaben übernehmen kann;
  • Durchsetzung teilbedingter und unbedingter Freiheitsstrafen in der passenden Vollzugsinstitution;
  • Koordination, Kontrolle und ggf. Abbruch einer gemeinnützigen Arbeitsleistung als besondere Vollzugsform einer ansonsten zu verbüssenden Freiheitsstrafe;
  • Prüfung, Durchführung, Kontrolle und ggf. Abbruch eines elektronisch überwachten Hausarrestes als besondere Vollzugsform einer ansonsten zu verbüssenden Freiheitsstrafe oder als Progressionsstufe anstelle eines Arbeits- resp. eines Wohn- und Arbeitsexternates;
  • Prüfung, Begleitung und ggf. Abbruch der Halbgefangenschaft als besondere Vollzugsform einer ansonsten zu verbüssenden Freiheitsstrafe;
  • Bewilligung einer abweichenden Vollzugsform wegen in der Person des Verurteilten liegenden besonderen Umständen resp. eines Vollzugsunterbruchs;
  • Durchsetzung strafgesetzlicher Massnahmen in Form einer ambulanten Behandlung (Art. 63 StGB), einer stationären therapeutischen Behandlung (Art. 59 StGB), einer stationären Suchtbehandlung (Art. 60 StGB), einer Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB), einer "ordentlichen" Verwahrung (Art. 64 StGB) sowie einer "ausserordentlichen" Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB);
  • Durchsetzung und Kontrolle anderer strafgesetzlicher Massnahmen wie des Landesverweises, des Tätigkeits-, Rayon-, Kontakt- und Fahrverbots in Zusammenarbeit mit den diesbezüglichen Partnern bspw. in Form des kantonalen Migrationsamtes;
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der jeweiligen Vollzugsinstitution, mit der Abteilung für Forensisch-Psychologische Abklärungen (AFA), mit forensisch-psychiatrischen Sachverständigen, mit der Fachkommission des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und mit der Eidgenössischen Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit lebenslänglich verwahrter Straftäter;
  • Vollstreckungsplanung mit entsprechender Bewilligung von Öffnungen (Ausgänge, Urlaube) und Lockerungen (Versetzung in eine offene Institution, Arbeitsexternat, Wohn- und Arbeitsexternat, bedingte Entlassung, endgültige Entlassung) im Falle von unbedingten Freiheitsstrafen und strafgesetzlichen Massnahmen inkl. damit einhergehender Vollzugskostenbeteiligung;
  • Einreichen von Anträgen zur Verlängerung einer ambulanten Massnahme, einer stationären therapeutischen Behandlung oder einer stationären Suchtbehandlung;
  • Durchführung – sofern diese Kompetenz strafgesetzlich nicht explizit einem Gericht vorbehalten worden ist – von vollstreckungstechnischen Nachentscheiden;
  • Initiierung von vollstreckungstechnischen Nachentscheiden – dies gilt sowohl für eine "echte" Nachträglichkeit im Sinne von Art. 65 StGB als auch im Falle einer "unechten" Nachträglichkeit, wie sie im strafgesetzlichen Massnahmenrecht in verschiedenen Bestimmungen vorgesehen ist –, die in der Kompetenz des (erstinstanzlichen) Strafgerichtes liegen;
  • Zusammenarbeit mit dem Zivilrecht in Form einer Information an die zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) zur Abklärung eines zivilrechtlichen Fürsorgebedürfnisses;
  • Verfassen von Stellungnahmen im verwaltungsrechtlichen Rekurs- resp. im strafrechtlichen Nachverfahren.

Liegt eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine strafgesetzliche Massnahme vor, dann stellt die bedingte Entlassung die letzte vollstreckungstechnische Progressionsstufe vor der endgültigen Entlassung aus der strafjustiziellen Obhut dar und läutet somit die nächste Phase der (Straf-)Rechtsdurchsetzung ein, die bis zur endgültigen Entlassung dauert.

 

Phase 3: Von der bedingten Entlassung zur endgültigen Entlassung

Spricht der Vollzugsdienst die bedingte Entlassung des Gefangenen resp. des Eingewiesenen aus, greift das zuvor bereits in der Planungsphase dieses wichtigen vollstreckungstechnischen Progressionsschrittes interdisziplinär aufgegleiste Übergangsmanagement bis zur vollständigen Wiedererlangung der persönlichen Freiheit. Hierbei geht es vordergründig darum, den bedingt Entlassenen im Umgang mit der wiedergewonnenen Freiheit zu begleiten und entsprechend zu beraten, ohne jedoch den Kontrollaspekt zu vernachlässigen. Dieser tritt gegenüber dem Betreuungsschwerpunkt zwar in den Hintergrund, bleibt jedoch omnipräsent, um auf sichtbar werdende Überforderungen und/oder negative Entwicklungen rasch und zielgerichtet reagieren zu können. Diese Dichotomie kommt am besten durch die schematische Darstellung der beiden während dieser Vollstreckungsphase abzudeckenden Aufgaben zum Ausdruck, die sich wie folgt formulieren lassen:

  • Gewährleistung einer sozialarbeiterischen Betreuung und Begleitung des Klienten im Rahmen der Bewährungshilfe als flankierende Massnahme einer bedingten Entlassung aus dem Straf- oder dem strafgesetzlichen Massnahmenvollzug. Dies beinhaltet nebst der Koordination und der Überprüfung einerseits der Einhaltung und andererseits des laufend zu beurteilenden Bedarfs einer gerichtlich oder behördlich angeordneten Weisung – klassischerweise handelt es sich hierbei bspw. um eine ambulant fortzusetzende (forensisch-)psychotherapeutische Behandlung, die Aufrechterhaltung einer betreuten Wohnform und/oder ein regelmässig zu überprüfendes Substanzverbot – auch die Möglichkeit zu einer Schuldensanierung, wobei diese auch ausserhalb einer gerichtlich oder behördlich verfügten Weisung durchgeführt werden kann.

  • Beobachtung des Bewährungsverhaltens und Einleiten entsprechender Gegenmassnahmen in Form einer Verlängerung der Probezeit, der Aufhebung oder Neuanordnung einer Bewährungshilfe, der Änderung, Aufhebung oder Neuerteilung von Weisungen sowie der Rückversetzung in den Straf- oder den strafgesetzlichen Massnahmenvollzug entweder in Eigenregie oder aber – sofern strafgesetzlich explizit vorgesehen – in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Gericht resp. den Strafverfolgungsbehörden;

Während die erstgenannte Aufgabe dem Bewährungsdienst überantwortet ist, erfolgt die Entscheidung über etwaige Reaktionen hinsichtlich eines nicht zufriedenstellenden Bewährungsverhaltens der interdisziplinären Beurteilung durch den Bewährungs- und den Vollzugsdienst. Im Zentrum sämtlicher genannter Phasen steht dabei eine individuelle Fallführung.